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NO!art ist
die strategische
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auf der sich
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Produktion und
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kulturelle Aktionen
begegnen.
Stuetzpunkt
Foundation
NO!manipulation |
TRAUERANZEIGE zu BRUNO SCHLEINSTEIN
in: DER TAGESSPIEGEL | Berlin | 15.08.2010

GRABSTÄTTE:

GRABSTÄTTE | Berlin-Schöneberg | St. Matthäus-Kirchhof 1
[Eingang Großgörschenstrasse]
PERSÖNLICHE KONDOLENZEN VON:
Nicole Anfuso + Sven Apelt + Arbeitskreis Marginalisierte + Ralph Arens + Ghazi Barakat + Lith Bahlmann + Andrea Behrendt + Tatjana Bergius + Ulla Biermann + Jürgen Borchers + Frieder Butzmann + Chris Campion + Thomas Crasemann + Nick Dangerfield + Barbara Delmas + Frank-Kirk Ehm-Marks + Klaus Ferentschick + Jean-Baptiste Filleau + Katrin Framke + Ronald Gerlach + Franz Göbel + Georg Gottensträter + Marcus Gottschalk + Dieter Grube + Axel Grumbach + Karina und Franz-Josef Hagmanns-Dajka + Harry Hass + Volker Hauptvogel + Wolfgang Hein + Jörg Hermann + Werner Herzog + Christoph Imler + Thomas Kapielski + Dietmar Kirves + Masumi Kobayashi + Dieter Kölsch + Annett Krause + Susanne Lattek + Mark Leyrer + Gerhard Lüer + Frank Martens + Stuart Mead + Mario Mentrup + Peter Meseck + Norbert Mucha + Sascha Neuper + Rebecca Ofek + Bert Papenfuß + Norbert Petrasek + Lukas Pfeiffer + Lukas Pusch + Jan Ralske + Stefan Rausch + Matthias Reichelt + Dr. med. Anton Riether + Rosa + Gundula Schmitz + Walter Saxer + Thea Schmitt + Richard Schütz + Fleischerei Staroske + Christoph Sippel + Spencer Sweeney + Gisela Storch-Pestalozza + Klaus Theuerkauf + Wolfgang Theuerkauf + Kerstin Weiberg + Prof. Martin Wiebel + Marion Wobst + Catharina Wollmann + Anke Wollmann + Andrzej Woron + Susanne Zander + Prof. Dr. Hans Dieter Zimmermann + Miron Zownir
NACHRUFE IN DER PRESSE:
SCHAUSPIELER BRUNO SCHLEINSTEIN GESTORBEN | in: FOCUS | München | 12.08.2010 13:10 | Bruno Schleinstein, Hauptdarsteller in Werner Herzogs Kaspar-Hauser-Film „Jeder für sich und Gott gegen alle“, ist tot. Der Schauspieler, Maler und Musiker starb im Alter von 78 Jahren in Berlin an Herzversagen, wie sein Freund, der Künstler Klaus Theuerkauf, mitteilte. Als Bruno S. trat Schleinstein auch in Herzogs„Stroszek“ auf. An der Seite von Eva Mattes spielte er darin einen Straßenmusiker. Nach seinen Filmerfolgen widmete sich Schleinstein der Malerei und zog als Musiker durch Berliner Hinterhöfe, wo er Akkordeon, Ziehharmonika, Xylofon und Glöckchen spielte. In fast allen Bezirken West-Berlins trat er mit seinen eigenen Versionen alter Moritaten auf, die von menschlichen Schwächen und verlorener Heimat berichteten und ein deprimierendes Menschenbild zeichneten. Das habe seinen eigenen Erfahrungen in Heimen und Anstalten für Geisteskranke entsprochen, so Theuerkauf.l
SCHAUSPIELER BRUNO SCHLEINSTEIN GESTORBEN | Berlin dpa | 12.08.2010 13:10 | Bruno Schleinstein, Hauptdarsteller in Werner Herzogs Kaspar-Hauser-Film «Jeder für sich und Gott gegen alle», ist tot. Der Schauspieler, Maler und Musiker starb im Alter von 78 Jahren in Berlin an Herzversagen, wie sein Freund, der Künstler Klaus Theuerkauf, mitteilte. Als Bruno S. trat Schleinstein auch in Herzogs «Stroszek» auf. An der Seite von Eva Mattes spielte er darin einen Straßenmusiker.
SCHAUSPIELER BRUNO SCHLEINSTEIN TOT | in: rbb NACHRICHTEN | Berlin | 12.08.2010 | Nach seinen Filmerfolgen widmete sich Schleinstein der Malerei und zog als Musiker durch Berliner Hinterhöfe, wo er Akkordeon, Ziehharmonika, Xylofon und Glöckchen spielte. In fast allen Bezirken West-Berlins trat er mit seinen eigenen Versionen alter Moritaten auf, die von menschlichen Schwächen und verlorener Heimat berichteten und ein deprimierendes Menschenbild zeichneten. Das habe seinen eigenen Erfahrungen in Heimen und Anstalten für Geisteskranke entsprochen, so Theuerkauf. Er starb im Alter von 78 Jahren in Berlin an Herzversagen. Schleinstein war Hauptdarsteller in Werner Herzogs Kaspar-Hauser-Film "Jeder für sich und Gott gegen alle". Er trat auch in Herzogs "Stroszek" auf. Nach seinen Filmerfolgen widmete sich Schleinstein der Malerei und zog als Musiker durch Berliner Hinterhöfe. In fast allen Bezirken West-Berlins trat er mit seinen eigenen Versionen alter Moritaten auf.
BRUNO SCHLEINSTEIN 78-JÄHRIG GESTORBEN | in: Hamburger Abendblatt | 13. August 2010 06:42 Uhr | Berlin. Bruno Schleinstein, Hauptdarsteller in Werner Herzogs Kaspar-Hauser-Film "Jeder für sich und Gott gegen alle", ist tot. Der Schauspieler, Maler und Musiker starb im Alter von 78 Jahren in Berlin an Herzversagen, wie sein Freund, der Künstler Klaus Theuerkauf, mitteilte. Als Bruno S. trat Schleinstein auch in Herzogs "Stroszek" auf. An der Seite von Eva Mattes spielte er darin einen Straßenmusiker. Nach seinen Filmerfolgen widmete sich Schleinstein der Malerei und zog als Musiker durch Berliner Hinterhöfe.(dpa)
BRUNO SCHLEINSTEIN (Geb. 1932): "WELCHE FARBE HAT DAS GEWISSEN? WISSEN SIE DAS?" | Von Thomas Loy | in: Tagesspiegel, Berlin | 13.08.2010 11:33 Uhr | Mit Stetson- Hut ist er aufgetreten, die Augen zugekniffen, die Stimme aufgeraut. Ein kleiner Mann, dem alles langsam von der Hand ging. Auch das Singen trauriger Lieder aus schlimmen Zeiten. Bevorzugt auf Berliner Hinterhöfen. Bevor er Fragen beantwortete, wenn mal ein Journalist daherkam, sang er meistens „Die Gedanken sind frei“, alle fünf Strophen: eine Warnung vor dem gesprochenen Wort und dem, was es verbergen kann.
Bruno S. war sein Künstlername, zu sehen auf einem Filmplakat aus dem Jahr 2003. „The Rise & Fall of the former Werner-Herzog-Star“. Zwei Filme hatte er mit Herzog gedreht. Der erste machte ihn kurz weltberühmt. Er spielte die Rolle seines Lebens, den Kaspar Hauser in „Jeder für sich und Gott gegen alle“. Da saß er beim Filmfestival in Cannes vor großem Publikum, als Hauptdarsteller eines außerordentlichen Films. „Ich habe heute zum ersten Mal das Meer gesehen“, sagten Bruno S. und Kaspar Hauser, und durch die Ränge ging ein Raunen. Jetzt bin ich angekommen im Leben der anderen, dachte Bruno, und Teil einer großen Filmfamilie. Herzog gab ihm noch eine Rolle, danach war es mit dem Ruhm vorbei.
Bruno S. kehrte zurück in sein Berliner Schicksal, das eines Gedankenschweren und Vereinsamten, eines Alkoholikers und Außenseiters. Manche hielten ihn für einen Autisten. Auf Herzog war er nicht mehr gut zu sprechen: „Bruno ist doch nur ein Wegwerfartikel.“
Er sprach lieber in der dritten Person von sich, als könne er sich so vor zudringlichen Menschen schützen. Fast 20 Jahre lang hatte er in Heimen gelebt, auch während des Krieges. Was er dort erlitt, versenkte er in einer Kapsel tief in seinem Innern. Mit acht, 1941, kam er in die „Wittenauer Heilstätten“, wo Ärzte mit Impfstoffen an vermeintlich geistesschwachen Kindern herumexperimentierten. Es existieren Dokumente, die das belegen, doch Bruno konnte nicht viel mit Dokumenten anfangen. Ein Freund kam auf die Idee, eine Entschädigung zu beantragen. Da war es schon fast zu spät.
1956 wurde Bruno als geheilt in die Gesellschaft entlassen. Er flüchtete aus der DDR nach West-Berlin, wurde nach Süddeutschland ausgeflogen, arbeitete bei einem Bauern, ging auf Trebe und landete wieder in West-Berlin, wo er Arbeit bekam. Die meiste Zeit fuhr er den Gabelstapler bei Borsig. Zum Singen schwermütiger Lieder nach Schichtende kam das Schreiben und später das Malen, alles selbst beigebracht. In seiner verrumpelten Wohnung experimentierte er mit Farbeffekten. Er spannte bunte Pappstreifen auf eine Schleifmaschine und ließ sie rotieren. Bruno nannte das „stufenlose Tonleiter“, weil er Farben als Töne wahrnahm und umgekehrt. Auch die Wörter, besonders die abstrakten, tunkte Bruno in einen Farbtopf, um sie sichtbar zu machen. „Welche Farbe hat das Gewissen? Wissen Sie das? Sehen Sie, das kann mir niemand beantworten.“
Mit seinen Bildern suchte er nach den Verletzungen der frühen Jahre. Eins zeigt Berlin in Flammen. Damals, im April 1945, rückte er aus dem Heim aus, zu seiner Mutter. Die wollte ihn aber nicht aufnehmen. Also schlief Bruno, als die Bomben fielen, in fremden Häusern auf dem obersten Treppenabsatz. Ein anderes Bild zeigt einen Arzt im schwarzen Kittel, der mit der Hand in das Herz seines Patienten greift. Seine Bilder und Zeichnungen wurden in Galerien ausgestellt und einige davon verkauft. Das freute Bruno.
In seiner Wohnung häuften sich die Dinge an, Brunos Gefährten. Kafferöstmaschinen, Holzpferdchen, Modelllokomotiven. Ein Flügel, viele Akkordeons und Messingglocken. Für Sitzgelegenheiten fehlte der Platz. Bruno stand gerne.
Langsam, sagen Freunde, löste sich Bruno mit Hilfe der Kunst aus seiner Isolation, wurde den Menschen um ihn herum ähnlicher. Sein Kommentar: „Als ich Mensch wurde, musste ich sterben.“
Vorher söhnte er sich noch mit Werner Herzog aus. Während der Berlinale im Februar trafen sie sich in der Stadtklause am Anhalter Bahnhof, Brunos Stammkneipe. Der Wirt hatte die Fäden gezogen. Der große Regisseur und sein Kaspar Hauser umarmten sich. Wer Brunos Menschenscheu und Misstrauen kannte, hätte das kaum für möglich gehalten.
Schließlich ging es um die Pflegestufe. Bruno konnte das schwere Akkordeon nicht mehr halten. Seit Monaten zog er nicht mehr um die Häuser. Untersuchungen? Pflegeheim? Er hatte Angst, dass es wieder so kommt wie früher. Der Gutachter war unterwegs, da lag Bruno schon reglos in seiner Wohnung. Die Seele ausgebüxt.
Das Kino Babylon zeigt ab 30. August vier Filme mit Bruno S.
Nachruf auf den UNBEKANNTEN SOLDATEN DES KINOS | Prof. Martin Wiebel am 15.08.2010 in Stadtklause am Anhalter Bahnhof | ... ich schrieb über ihn eine Zeitungsgeschichte für das SPANDAUER VOLKSBLATT oder/und DIE WELT (ich weiß es nicht mehr und habe den Artikel auch nie wiedergefunden), ohne zu ahnen, dass diese kleine Öffentlichkeitsarbeit ihn auf den Weg zum cineastischen Weltruhm leiten würde, ihn zum Unbekannten Soldaten des Kinos werden ließ, wie sein Mentor Werner Herzog ihn einmal nannte.
Mit nichts konnte ich-selbst auf dem Weg zu Theater- und Film-Karriere- ahnen, dass meine Hinterhof-Entdeckung ihm das schmerzliche Schicksal des STARS zumuten sollte, kometenhaft aus den Berliner Schattenwelt in die Glitzerwelt des Filmfestivals von CANNES mit Werner Herzogs Film "Jeder für sich und Gott gegen alle" aufzusteigen und nach dem Film "Stroszek" - ihm nachgerade auf die Seele und den Leib und die Zunge geschrieben von Werner Herzog - wieder abzustürzen ins Dunkle seiner Herkunft, oder wie er selbst gedichtet hat:
VOM PARADIES DER FALSCHEN HOFFNUNGEN, DER LEEREN VERSPRECHUNGEN IN DIE HÖLLE VOM HABGIERIGEN SCHEINE
Aber es geschah eben , warum der Bruno mich zu meiner Überraschung ,als wir und vor 10 Jahren durch Theuerkaufs Initiative wiedertrafen , seinen "Entdecker" nannte.
Auf wundersamen Umwegen gereichte mein Artikel Hans Dieter Zimmermann in der Akademie der Künste dazu, den Bruno zu einem Moritaten-Festival auf die Berliner Akademie-Bühne zu holen. Dort sah ihn der DffB Student Lutz Eisholz, der auf der Suche nach einem Abschlussfilmstoff schließlich 1971 in S/W den ersten Film mit Bruno drehte: Bruno ,der schwarze Peter, verschollen leider , aber hoffentlich bald wieder auffindbar, wenn die deutsche Kinemathek sich dahinter klemmt.
Dieser Film war es, den Werner Herzog zufällig sah - wenn es so was überhaupt gibt !– auf der Suche nach einem Hauptdarsteller für sein Kaspar-Hauser- Filmprojekt, für den Bruno die Rolle seines Lebens, nur noch übertroffen von Stroszek ,dem Film seines Lebens.
Der Bruno blieb ein Fremder in der Welt , die ihm nun huldigte, Francis Coppola und später Darius James, der ihn in eine Reihe mit Peter Lorre und Emil Jannings stellte, nach dem Absturz als Komet aus dem Himmel der Sterne beklagte er - wie viele Helden der Filme der 70 Jahre, etwa aus den sogenannten Arbeiterfilmen, denen es ebenso erging :
" VVV- Vergangen , vergessen, vorüber !"
Aber da hat er sich geirrt: dass seine vielen Freunde, die dieser "einsame" Mann zu meinem Erstaunen in Wirklichkeit hatte , nun alle hier bei der feierlichen Urnenbeisetzung stehen, nachher im freien Museum seiner gedenken und sich Gedanken machen , wie und wo man sein "Werk" bewahren könnte , zeigt:
Der Bruno hat auf die Frage , wie er sich den Tod vorstellt ganz richtig geantwortet:
"wenn sie Glück haben, können sie zusehen ,wie sie sterben. es ist wie ein schlaf und wenn sie aufwachen, fängt es wieder von vorne an !"
► http://www.stadtklause.de/bruno.html
Kommentar von Simson | in: Tagesspiegel am 15.08.2010 10:04 Uhr | Bruno Schleinstein. Eigendlich lief mir Bruno nur ein paarmal in meinem Leben über den Weg. Zuerst moritierte er Sein "Mamatschi" auf unserem Hinterhof was in meiner Erinnerung blieb. Dann im Film, bei Borsig und auf dem Flohmarkt. Nun hörte ich gestern das er tot ist. "Manchmal kommt der Winter im Sommer, das ist der Tod."
ÜBER DIE HÖFE ZIEHEN - Ein Nachruf auf den Maler, Filmschauspieler und Hinterhofmusikanten Bruno S | Von Matthias Reichelt | in: junge Welt | Berlin | 13.08.2010 / Feuilleton / Seite 13 | Von sich sprach er immer in der dritten Person. Aus seinem Mund hätte die Nachricht wohl ungefähr so gelautet: »Der Bruno, der ist jetzt tot.«
Alle Wege, die zu Bruno Schleinstein führten, der sich Bruno S. nannte, endeten bei einem kleinen Mann und seiner traurigen Kindheit, die sich als unauflösbares Trauma in ihn eingegraben hatte. Er war bekannt als Maler, als Hinterhofmusikant und als Darsteller in mehreren Filmen. Ein Schauspieler im klassischen Sinne war Bruno S. freilich nicht. Er gab im wesentlichen immer nur eine Rolle, die er pausenlos verkörperte, ob im Film oder im wirklichen Leben. Bruno spielte Bruno, ein abgespaltenes Wesen, das ungeliebte Kind, das von der Mutter in der Nazizeit früh in ein Heim gegeben wurde und bis 1957 viele Erziehungsanstalten und Psychiatrien durchlief. Ohne Liebe, verachtet und einsam. Was nach den Heimen kam, war nicht viel besser. Er arbeitete als Gabelstaplerfahrer bei Borsig, rauchte Kette, ertränkte seine Einsamkeit, seine Sehnsucht nach Liebe in Alkohol, und wurde als »Penner« beschimpft.
Klug und wißbegierig brachte er sich als Autodidakt das Klavier- und Akkordeonspiel bei. In der Musik und der Literatur fand er viele Geschichten, die ihm als Vorlage für sein Leben erschienen. Der verstoßene Sohn, das ungewollte oder das versteckte Kind wie Kaspar Hauser — Bruno S. konnte sich sehr schnell mit diesen Rollen identifizieren und sie mit Haut und Haar verkörpern. Er fand Trost in Liedern aus Operetten, mit denen er über die Höfe vor allem in Berlin-Schöneberg zog, und sprach die Texte mehr, als daß er sie sang. Er machte eine Art von Talking Blues aus diesen Balladen und Moritaten, begleitete sie auch mit Glockenspiel. Er sah auf sich selbst und sah sich gleichsam als Material für seine Kunst, für die er von einer beachtlichen Fangemeinde verehrt wurde.
1968 erhielt der junge Student der Filmhochschule DFFB, Lutz Eisholz, den Tipp, sich mit dem Hinterhofmusikanten zu treffen. Er scheiterte dreimal an der vielfach verriegelten Wohnungstür. Beim vierten Mal ließ Bruno S. ihn in seine Wohnung in der Pohlstraße und schenkte ihm sein Vertrauen, was bei seiner Skepsis gegenüber Menschen nicht genug zu würdigen ist. Durch Eisholz’ Spielfilm »Bruno der Schwarze« von 1970 wurde Werner Herzog auf Bruno S. aufmerksam. Er drehte 1974 »Kaspar Hauser — Jeder für sich und Gott gegen alle« und 1977 »Stroszek« mit dem kongenialen Bruno S. in den Hauptrollen. Danach war es in der Filmbranche still um Bruno. Weitere Angebote, die er sich so sehr ersehnte, blieben aus. Er führte sein altes alkoholbeschwertes Leben weiter und zog über die Höfe.
Die Bekanntschaft mit dem Künstler Klaus Theuerkauf von der Gruppe endart 1981, ein weiterer Glücksfall in Brunos Leben, ebnete ihm den Weg in eine bescheidene Karriere als Maler. Heute gehören seine Arbeiten zu renommierten Art-Brut-Sammlungen, und ein Buch ist in Vorbereitung. Ende 2008 widmete die New York Times Bruno S. ein großes Porträt.
Völlig clean von Süchten, widmete er sich in den letzten Jahren ganz dem Malen, der Musik und dem Spielen in Filmen von Miron Zownir. Er war nicht mehr so mißtrauisch, erwies sich in Gesprächen als schelmischer und kluger Beobachter. Werner Herzog, dem Bruno— zu Unrecht — nie richtig verzieh, daß er sich nicht weiter um ihn kümmern konnte, nahm die diesjährige Berlinale zum Anlaß, sich mit Bruno in der »Stadtklause« zu treffen, die Franz Göbel, ein enger Freund Brunos, in der Nähe des Anhalter Bahnhofs betreibt.
Sie alle haben einen Freund verloren. Bruno S. ist am Dienstag im Alter von 78 Jahren an Herzversagen in seiner Wohnung in der Kurfürstenstraße gestorben. Er war einer der letzten großen Außenseiterkünstler Berlins.
Copyright | junge Welt | http://www.jungewelt.de/2010/08-13/006.php
DIE TRAURIGSTE MELDUNG DES TAGES | in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.08.2010 | Bruno Schleinstein, genannt Bruno S., ist am 11. August im Alter von 78 Jahren in Berlin gestorben. Kurz und bündig fällt Michael Althens Nachruf auf den Schauspieler aus, der eigentlich keiner war: Mit nur zwei Filmen ("Jeder für sich und Gott gegen alle" und "Stroszek", beide von Werner Herzog) erlangte er in den Siebzigern für ein paar Minuten Weltruhm. Seitdem tingelte er wieder, wie in der Zeit zuvor, Akkordeon spielend durch Berliner Hinterhöfe und Eckkneipen. 2007gratulierte der Tagesspiegel zum 75., 2008 brachte die New York Times ein schönes Portrait und außerdem ein anrührendes Video von Bruno S. beim Akkordeonspiel in seiner kleinen Berliner Wohnung.
SCHAUSPIELER BRUNO SCHLEINSTEIN IST TOT | in: 3sat News vom Donnerstag | 12.08.2010 | Bruno Schleinstein, Hauptdarsteller in Werner Herzogs Kaspar-Hauser-Film "Jeder für sich und Gott gegen alle", ist tot. Der Schauspieler, Maler und Musiker starb im Alter von 78 Jahren in Berlin an Herzversagen, wie sein Freund, der Künstler Klaus Theuerkauf, mitteilte. Als Bruno S. trat Schleinstein auch in Herzogs "Stroszek" auf. An der Seite von Eva Mattes spielte er darin einen Straßenmusiker. Nach seinen Filmerfolgen widmete sich Schleinstein der Malerei und zog als Musiker durch Berliner Hinterhöfe, wo er Akkordeon, Ziehharmonika, Xylofon und Glöckchen spielte. In fast allen Bezirken West-Berlins trat er mit seinen eigenen Versionen alter Moritaten auf, die von menschlichen Schwächen und verlorener Heimat berichteten und ein deprimierendes Menschenbild zeichneten. Das habe seinen eigenen Erfahrungen in Heimen und Anstalten für Geisteskranke entsprochen, so Theuerkauf. Das Leben Bruno Schleinstein ist in einem Film von Miron Zownir unter dem Titel "Bruno S. - Die Fremde ist der Tod" 2003 verfilmt worden.
SCHAUSPIELER BRUNO SCHLEINSTEIN TOT | in: Kultur & Visionen | Borken | 12. August 2010 23:31 | Der Schauspieler, Musiker und Maler Bruno Schleinstein ist tot. Er starb im Alter von 78 Jahren in Berlin. Bekannt wurde Schleinstein durch seine Rolle als Kaspar Hauser in Werner Herzogs Kult-Film «Jeder für sich und Gott gegen alle». Auch in Herzogs «Stroszek» trat er auf. Neben seinen Filmrollen widmete sich Schleinstein auch der Malerei und zog als Musiker mit Akkordeon und Glöckchen durch Berliner Hinterhöfe.
STROSZEK, KASPAR HAUSER ... SCHAUSPIELER BRUNO SCHLEINSTEIN TOT! | in: Forum von CINEFACTS | MORTIMER | 13.08.10, 20:18:21
  
mad hatter | 14.08.10, 00:19:03 | R.I.P. Bruno S. "Stroszek" und "Jeder für sich und Gott gegen alle" sind tolle Filme. "Ein großartiger Film, aber ich habe Angst, ihn meinen Freunden zu zeigen." - John Waters
BAXTER | 14.08.10, 01:20:52 | Gerade in "Stroszek" ist seine Darbietung so unglaublich intensiv wie bewegend, schlicht grandios. Sehr Schade.
DAMMERS | 14.08.10, 11:15:32 | Auch wenn mir das vielleicht jetzt keiner glaubt. Aber der Typ war mehr oder weniger ein Arbeitskollege von mir, als er noch in eine Firma in Berlin Tegel als Staplerfahrer arbeitete und ich dort meine Ausbildung begann. Habe mich immer gewundert warum er er Plakat von "Jeder für sich und Gott gegen alle" da zu hängen hatte bis ich merkte das er das ja da drauf ist.
Naja...er war schon irgendwie anders, der Bruno. R.I.P.
FuManchu | 14.08.10, 11:20:34 | "Was wird daraus....wenn der Bruno mal tot geht - wo landen diese Sachen? Wo landen diese Instrumente? Was wird daraus?"
TRAUER UM BRUNO SCHLEINSTEIN - KÜNSTLER, SCHAUSPIELER, MUSIKER UND OBDACHLOSER | Bezirksamt Berlin-Lichtenberg | Pressemitteilung | 17.08.2010 16:21 Uhr | Bruno Schleinstein ist vor zwei Tagen im Alter von 78 Jahren verstorben. Als Ausgegrenzter, aber vor allem als unverwechselbarer Künstler, Schauspieler und Musiker wird er vielen Menschen im Gedächtnis bleiben.
Die Bezirksstadträtin für Kultur und Bürgerdienste Katrin Framke (Die Linke) und die Leiterin des Museum Lichtenberg, Frau Christine Steer erklären: „Wie wir heute (13. August 2010) erfahren mussten, ist Bruno Schleinstein vor zwei Tagen im Alter von 78 Jahren verstorben. Der Tod von Bruno Schleinstein erfüllt uns mit Trauer. Wir haben Bruno bei verschiedenen Gedenkveranstaltungen des Bezirksamtes Lichtenberg in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Marginalisierte gestern und heute zur Erinnerung an die Verfolgung so genannter Asozialer in der NS-Zeit an den ehemaligen Arbeitshäusern Rummelsburg kennen und schätzen gelernt. Als Marginalisierter, Ausgegrenzter, aber vor allem als unverwechselbarer Künstler, Schauspieler und Musiker wird er uns und vielen anderen im Gedächtnis bleiben. Bei den Veranstaltungen zum 70. Jahrestag der Aktion Arbeitsscheu Reich durch das Nazi-Regime in Rummelsburg und bei weiteren Veranstaltungen, wie z. B. der Eröffnung der Ausstellung „Wohnungslose im Nationalsozialismus“ im Museum Lichtenberg hat Bruno mit seinen Balladen und Liedern und seiner besonderen Vortragsweise authentisch und anrührend sein Publikum in den Bann gezogen. In dem Buch „ausgesteuert — ausgegrenzt … angeblich asozial“, herausgegeben von Anne Allex und Dietrich Kalkan und dem Film von Andreas Behrendt „arbeitsscheu-abnormal-asozial“ - zur Geschichte der Berliner Arbeitshäuser spielt Bruno eine „Hauptrolle“.
Wie Lothar Eberhardt vom AK Marginalisierte mitteilte, findet die von seinen Freunden Klaus Theuerkauf und Franz organisierte Trauerfeier am Sonntag, dem 15. August, ab 17 Uhr in Brunos Stammlokal, in der Stadtklause direkt am Anhalterbahnhof, Bernburger Straße 35, statt.
Wir werden die Erforschung der Geschichte der Arbeitshäuser Rummelsburg fortsetzen und mit der für das kommende Jahr geplanten künstlerischen stadträumlichen Markierung des Rummelsburger Areals Menschen wie Bruno Schleinstein ein ehrendes Gedenken bewahren.“
Bruno Schleinstein: Geboren am 02.06.1932 in Berlin-Friedrichshain, gestorben am 11.08.2010 in Berlin-Tiergarten; drittes Kind aus einer unehelichen Beziehung; seine Mutter gab ihn etwa 1937 ins Heim; ab 1941 im Haus Wiesengrund der Wittenauer Heilstätten untergebracht; mehrfach ausgerissen und wieder aufgegriffen; Opfer medizinischer Versuche; nach dem Krieg u. a. Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt, dort erlernt Bruno das Akkordeonspielen; obdachlos, dann tätig als Lagerarbeiter, Gabelstaplerfahrer, Bauarbeiter; in seiner Freizeit als Musiker in den Hinterhöfen der Altstadtquartiere unterwegs; in den 1970er Jahren Entdeckung durch den Filmemacher Werner Herzog; 1974 erste Hauptrolle in dem Film „Jeder für sich und Gott gegen alle — Kaspar Hauser“; seit 2008 Anerkennung nach dem Gesetz für politisch und rassisch Verfolgte als „Reichsausschusskind“.
Bezirksamt Lichtenberg
Bezirksstadträtin für Kultur und Bürgerdienste Katrin Framke
Tel.: 030-90296 37 00 | e-mail: katrin.framke@lichtenberg.berlin.de
ACTEUR ALLEMAND BRUNO SCHLEINSTEIN
Par Jacques Mandelbaum
LE MONDE | Paris | 2010

1974 Werner Herzogs "Das Rätsel des Kaspar Hauser" | 1977 Werner Herzogs "Brunos Ballade" | 11. August 2010 Tod in Berlin | Ein Poet mit einer rohen Sensibilität, der seinen Körper der Filmkunst schenkte, wie andere der Wissenschaft: Das ist die Erinnerung an den deutschen Schauspieler Bruno Schleinstein, der am 11. August in Berlin im Alter von 78 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben ist.
Aber wer wird diese Erinnerung teilen? Bruno Schleinstein hatte keine so lange Filmkarriere, dass sich die breite Öffentlichkeit und insbesondere die jüngeren Generationen heute an diesen seltsamen und liebenswerten Mann erinnern können, der wie ein Meteor durch die Filmwelt zog. Diejenigen, die mit dem Werk des Regisseurs Werner Herzog vertraut sind, der ihm in den 1970er Jahren eine Chance gab und eine Figur des neuen deutschen Kinos war, werden ihn nie vergessen.
Ideales Medium
Bruno Schleinstein wurde am 2. Juni 1932 in Berlin als Sohn eines unbekannten Vaters geboren. Seine Kindheit war zerrüttet, missbraucht und vergewaltigt, und er verbrachte sie größtenteils in Waisenhäusern und psychiatrischen Einrichtungen. Er wird 1955 entlassen und führt ein unstetes Leben mit verschiedenen Gelegenheitsjobs.
Gleichzeitig pflegte er seine Vorliebe für Musik und Zeichnen. Er sang in den Straßen und Hinterhöfen Berlins traditionelle Balladen und Eigenkompositionen, begleitete sich mit seinem Akkordeon oder seinem Glockenspiel und zeichnete Texte für seine Lieder.
Sein Weg kreuzte sich schließlich mit dem von Werner Herzog, dessen Werk eine bekannte Vorliebe für die Abgründe des Wahnsinns, für Randfiguren und die prometheische Herausforderung der sozialen Ordnung aufweist. Der Filmemacher wurde 1970 in dem Dokumentarfilm Brunoder Schwarze, es blies ein Jäger wohl in sein Horn von Lutz Eisholz über Straßenmusikanten auf ihn aufmerksam.
Der Filmemacher sieht in dem Leiden, der Wut und der Zärtlichkeit, die dieser erschütternden Figur auf den Leib geschrieben sind, ein ideales Medium für sein Kino. Bruno Schleinstein wurde zu einem kurzen, aber glühenden Weggefährten, bevor Klaus Kinski ihn in Werner Herzogs Karriere ablöste. Die Beziehung zwischen Herzog und Schleinstein war weniger medienwirksam und spektakulär, aber nicht weniger intensiv, wütend und erschöpfend.
Der Filmemacher sieht in dem Leiden, der Wut und der Zärtlichkeit, die dieser erschütternden Figur auf den Leib geschrieben sind, ein ideales Medium für sein Kino. Bruno Schleinstein wurde zu einem kurzen, aber glühenden Weggefährten, bevor Klaus Kinski ihn in Werner Herzogs Karriere ablöste. Die Beziehung zwischen Herzog und Schleinstein war weniger medienwirksam und spektakulär, aber nicht weniger intensiv, wütend und erschöpfend.
Zwei großartige Filme markieren die Meilensteine dieser Beziehung. Wie François Truffauts L'Enfant sauvage (1970) basiert der Film auf einer wahren Begebenheit, bei der ein Kind, das keinen Kontakt zur Gesellschaft hatte, Anfang des 19. Jahrhunderts in der Stadt Nürnberg plötzlich wieder in die Zivilisation zurückfindet. Der Film gewann 1975 den Großen Preis der Jury bei den Filmfestspielen in Cannes.
Stroszek (La Ballade de Bruno, 1977), der von seinem Regisseur in vier Tagen geschrieben wurde, ist explizit vom Leben des Schauspielers inspiriert und handelt von der Abreise eines jungen Mannes aus der Anstalt in die USA, der von der deutschen Gesellschaft moralisch und sozial erschöpft ist, zusammen mit einem alten Mann und einer Prostituierten.
Trotz der Anerkennung, die ihm diese Rollen einbrachten, widmete sich Bruno Schleinstein, der von der Filmindustrie eigentlich nicht akzeptiert wurde, ausschließlich der Musik und der Malerei. Später war er in einigen Werken des Regisseurs und engagierten Fotografen Jan Ralske zu sehen, die jedoch so vertraulich waren, dass dieser Anti-Schauspieler, wie Werner Herzog es ausdrückte, "der unbekannte Soldat des Kinos" blieb. -

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